Ania Corcilius Ein Song für Prohlis ist der Titel einer CD, die im Som- mer 2006 mit BewohnerInnen von Dresden-Prohlis produ- ziert wurde. Prohliser Bürger singen Lieder, die sowohl ein über dreißig Jahre gewachsenes Heimatgefühl ausdrüken, als auch die Sorgen im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Großteils der Wohnungen in Prohlis an einen US-Investor.

Wir verkaufen der Kommune ihre Häuschen,
ihre Häuschen, ihre Häuschen,
wir verkaufen der Kommune ihre Häuschen
und die Mieter, und die Mieter gleich dazu!
"(H)ausverkauf", Kirchenchor Prohlis


Anfang des Jahres 2006 verkaufte Dresden in einer spektakulären Aktion ihren gesamten städtischen Wohnungsbestand an private Investoren. Dresden ist durch diesen Schritt als erste deutsche Großstadt — zumindest für eine kurze Zeit — schuldenfrei. Die Plattenbausiedlung Prohlis, die im selben Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feierte, ging zum größten Teil in den Besitz des amerikanischen Investors Fortress über. Über dessen Interessen kann nur spekuliert werden. Während die einen davon ausgehen, dass Prohlis aufwendig saniert und dann auf dem freien Wohnungsmarkt hochpreisig vermietet und verkauft werden soll, vermuten andere, dass es dem Investor gar nicht um die Plattenbauten geht, sondern um einige Grundstücke in zentraler Altstadtlage, die im Paket mit weniger lukrativen Sozialwohnungs- bauten günstig zu haben waren. Vielleicht ist der Handel mit billigen deutschen Immobilien auch nur ein zur Zeit besonders profitabler Markt für den internationalen Finanzhandel, so dass der Investor lediglich darum bemüht sein wird, die Kosten bis zum Weiterverkauf möglichst niedrig zu halten und auf diese Weise den Gewinn der Anteilseigner zu maximieren. In jedem Fall hat Dresden mit der Veräußerung seiner Sozialwohnungen das einzige Instrument zur Regulierung des Wohnungsmarktes aus der Hand gegeben. Für die betroffenen Bewohner stellt die Privatisierung der vormals städtischen Wohnungen eine Entwicklung dar, die sie mit Sorge um ihre Zukunft erfüllt.
Obschon der neue Eigentümer eine umfassende „Sozialcharta“ unterzeichnet hat, die ihm Beschränkungen bei Mieterhöhungen auferlegt und garantieren soll, dass es innerhalb der nächsten zehn Jahre, keine aufwendigen Renovierungen ohne Zustimmung der Mieter und ein eingeschränktes Kündigungsrecht des Vermieters gibt, sitzt das Misstrauen gegenüber Versprechungen von Vermietern tief. Hatte doch auch schon der alte Besitzer, die stadteigene „Woba“, drei Jahre zuvor noch offiziell verkündet, zum Abriss von Häusern werde es in Prohlis nicht kommen und diese Zusage mit dem sogenannten Rückbau eines ganzen Siedlungsabschnittes kaum zwei Jahre später schon wieder gebrochen.
Der wachsenden Unsicherheit angesichts von Abriss und Verkauf begegnet „Fortress“ zunächst mit einer Appeasementstrategie, die vor allem darin besteht, dass sich aus der Sicht der Mieter zunächst möglichst wenig ändert — bis die erste Aufregung sich gelegt hat und die Bürgerinitiativen eingeschlafen sind.
In dieser Situation verschafft „Ein Song für Prohlis“ denjenigen Gehör, deren Stimmen sich nicht in den offiziellen Kanon des „alles ist gut“ einfügen wollen.

 


Die Songs:

„(H)ausverkauf“
Thomas Neumeister und der Kirchenchor Prohlis

„Mein Name ist…“
Horst „Johnny Cash“ Paul

„Die goldene Hausnummer“, Gastbeitrag von Bernadette La Hengst

„Unser Haus“
Chor der Sozialarbeiter

„Prohlis-Karaoke“,
Karl-Heinz Lotze, Karaokekönig

„Erinnerung“,
Sebastian Lohse, Liedermacher